Das nach dem Indochina-Krieg als „Sozialistische Republik Vietnam“ 1976 vereinigte und lange weitgehend außenpolitisch isolierte Land in Südostasien schaffte es wegen sich in der Rückschau als verfehlt erweisender wirtschaftsideologischer Weichenstellungen lange nicht, das ökonomische Niveau zu heben. Erst mit einer Revidierung wirtschaftspolitischer Maximen („Doi Moi“-Politik) und vor allem mit dem Wegfall des US-Handelsembargos (1993) begann die Wirtschaft Vietnams zu florieren.
Heute gilt die durch jährliche, sich im Acht-Milliarden-Dollar-Bereich bewegende Überweisungen von Auslandvietnamesen zusätzlich unterstützte, Wirtschaft des „Tigerstaates“ Vietnam als in vielen Bereichen als zumindest ebenso erfolgreich wie die von Indien oder China. Die etwa 90 Millionen Menschen umfassende, vornehmlich junge und konsumorientierte Bevölkerung hat 2010 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von über 100 Mrd. US-Dollar erarbeitet. Die jährlichen BIP-Wachstumsraten lagen in den letzten 10 Jahren regelmäßig zwischen fünf und acht %. Nichtsdestotrotz ist das Wohlstandsniveau der meisten Vietnamesen immer noch niedrig, wenn auch nur noch 10 % der Bürger unterhalb der Armutsgrenze leben. Seit 2010 gilt Vietnam als „Middle Income Country“, also als ein Land, in dem das Pro-Kopf-Jahreseinkommen bei über 1.000 US-Dollar liegt.
Noch ist Vietnam kein typisches Reise- bzw. Massentourismus-Land. Aber im Marktsegment „Kultur-, Abenteuer- und Naturreisen“, das eine ständig wachsende Nachfrage von interessierten und in der Regel zahlungskräftigen Individualtouristen bedient, ist Vietnam gut bis sehr gut aufgestellt. Dazu kommen in den letzten Jahren immer häufiger Rucksack- und Pauschaltouristen, die die im Vergleich zu arrivierten Fernost-Ferienzielen wie Indonesien stabilere Sicherheitssituation in Vietnam zu schätzen wissen.
Den zahlreichen Aktivposten der vietnamesischen Wirtschaft, zu denen besonders seine hart arbeitenden Arbeitnehmer zählen, stehen als infrastrukturelle Negativposten gravierende Mängel bei Logistik, Energieversorgung und Verkehr sowie die hemmende Umständlichkeit und häufige Korruption vieler staatlicher Verwaltungskräfte gegenüber.
Die Landwirtschaft, in der mehr als die Hälfte der vietnamesischen Beschäftigten arbeiten, ist zum größten Teil in Privathand. Angebaut werden vor allem Reis, Gemüse und Zucker. Wichtig in dem wald- und küstenreichen Land sind auch die Edelholzforstwirtschaft sowie die Küstenfischerei.
Zu den, auch für die Exportwirtschaft, wichtigsten Industriezweigen gehört der Bekleidungs-Bereich. Vietnam nimmt im Weltranking den 5. Platz bei der Produktion von Textilien und Schuhen ein. Aber auch Elektronik und Möbelindustrie nehmen im herstellenden Bereich großen Raum ein.
—
—
Ein Problem der wirtschaftlichen Entwicklung ist die rasante Inflation (2010: 9,7 %), die insbesondere Folge der ausgesprochen negativen Handelsbilanz ist. Vietnam ist zwar nach Brasilien das Land mit dem zweitgrößten Kaffee-Export weltweit und führt auch Erdöl im relativ großen Umfang aus, muss aber dennoch ständig ein erhebliches Handelsdefizit (2010: 12,5 Mrd. US-Dollar Defizit bei Exporten im Wert von 56,5 Mrd.) verbuchen. Wichtigste Außenhandelspartner sind die USA, die EU und Japan. Importiert werden vor allem Stahl, Rohtextilien und Maschinen. Der vietnamesische Staatshaushalt ist negativ. So standen 2009 Staatsausgaben in Höhe von fast 30 Mrd. US-Dollar lediglich 21 Mrd. US-Dollar als Einnahmen gegenüber.